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Organisationsverhalten und Werte als Prinzipien integrierter, wertegesteuerter Führung

Hans-Jürgen Lutz und Dr. Daniel Nummer

 
Organisationsverhalten und Werte als Prinzipien integrierter, wertegesteuerter Führung

Zusammenfassung


Industrie und Arbeiten 4.0, New Work, digitale Transformation usw. sind nicht nur die neuen Schlagworte aus dem Industriellen- und Dienstleistungsbereich, sondern bedeuten ganz allgemein einen gesellschaftlichen Wandel, der die gesamte Breite der Wirtschaft und der Arbeitnehmer/innen betrifft. Für die Unternehmen bedeutet dies, das eine dynamische Anpassung der Organisationsstrukturen und des Führungsverhaltens nötig wird. „Organisationsverhalten“ ist die Anwendung von Wissen darüber, wie Einzelpersonen und Gruppen in einer Organisation handeln und reagieren, um dadurch die höchste Qualität von Leistungen und dominante Zufriedenheit zu erreichen. Dazu bedarf es einem tieferen und objektiven Einblick in die Belegschaft, in die Werte der Einzelpersonen und des Unternehmens, sowie in das aktuelle und zukünftig relevante Führungsverhalten. Die Zielsetzung ist die Verbindung eines neuartigen Organisationsdiagnose-Systems zur Anpassung des Verhaltens auf Basis integrierter, wertegesteuerter Führung.



1 Die Bedeutung des „Organisationsverhaltens“ in einer digitalen Arbeitswelt


1.1 Die neue Arbeitswelt und ihr Einfluss auf Organisationsstrukturen


Die Arbeitswelt befindet sich in einem Zustand des fast schon epochalen Umbruchs. Ein neues Verständnis von Arbeit schafft neue Herausforderungen – und neue Chancen. Die „schöne neue Arbeitswelt“ sorgt gleichermaßen für Verunsicherung, wie sie auch fasziniert. Der Strukturwandel der Arbeitswelt beschleunigt sich weltweit immer mehr und läutet eine Ära neuer Arbeitsorganisation ein.


Neue technologische Verfahrensweisen, Digitalisierung und weitere Globalisierung, sowie der demografische Wandel und die sich stets im Wandel befindlichen Wertvorstellungen verändern die Arbeitswelt drastisch. Was und vor allem auf welche Weise wir in der Zukunft arbeiten werden, geht uns alle an. Dieser Wandel sollte am Grundverständnis von guter Arbeit nichts verändern. Auch die Arbeit der Zukunft muss sowohl wertschöpfend und wohlstandsorientiert als auch sozial abgewogen der gesamten Gesellschaft dienen. Zugleich muss sie jedem Einzelnen persönliche und unternehmerische Gestaltungskompetenzen bieten, Innovation, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Zufriedenheit fördern (Robbins und Judge 2010).


In zunehmendem Maße werden übergeordnete Kompetenzen gefordert, die in den unterschiedlichsten Berufszweigen und Tätigkeitsbereichen fachübergreifend einsetzbar sind. So gewinnen neben Kompetenzen im Kontext der Automatisierung, vermehrt Planungstätigkeiten, Organisation, interpersonelle Fähigkeiten und rechtzeitige Kommunikation, Kreativität, abstraktes, vernetztes und themenübergreifendes Denken, analytische Fähigkeiten usw. an Bedeutung (Fleig 2010).


Vor kulturhistorischem Kontext wurden Arbeit und Organisationsstruktur immer schon in regelmäßigen Zyklen neu bewertet und bisher sahen Führungsstrukturen nur wenig Mehrwert darin, das persönliche Empfinden des Einzelnen in die Bewertung mit einzubeziehen. Die überwiegende Anzahl der Jobs sind immer noch sehr weisungsgebunden definiert, so dass nach wie vor selbstständiges Denken oder auch kreative Lösungsfindung teilweise stark unterdrückt werden. In einer Zeit, in der jedoch die Schnittflächen zu Kunden

und Auftraggebern immer größer werden, in der schnelle Lösungsfindungen für Herausforderungen gefragt und verlangt werden, ist es wichtig, Strukturen zu schaffen, die aus dynamischen Experten-Netzwerken bestehen. Gleichzeitig muss die Führung die Entscheidungsfindung dort stattfinden lassen, wo sie tatsächlich sinnvoll und im Sinne der Wertschöpfung aufgehoben ist – und das ist in den meisten Fällen nicht allein die Geschäftsführung, die teils schon sehr entfernt von den eigentlich wertschöpfenden Prozessen agieren muss.


Im Hinblick auf sich ändernde Anforderungen an wertschöpfende Arbeit gilt es nun, sich von den alt hergebrachten Organisationsstrukturen zu verabschieden, denn diese dienen auf Basis des „Taylorismus“ nur einem Zweck – dem „Selbsterhalt“. Die Zeiten, in denen es von Allem zu wenig gibt, sind vorbei. In Zukunft wird es umso wichtiger sein, in ganzheitlichen Rahmenbedingungen zu denken und zu handeln. Dies erfordert deutlich mehr intellektuelle Flexibilität und wird die klassischen Zielausrichtungen von Unternehmen im Sinne von KPIs (key performance indicator) sehr viel komplexer machen. Die angeblich jetzt schon „agilen“ Organisationsstrukturen sollen u. a. weitere Produktivitätssteigerung fördern, sind aber in vielen Industrien derzeit noch im Kern nahezu unverändert (Baker 2019). Derzeitiges Wachstum von Branchen ist daher maßgeblich passiv durch das Konsumverhalten zu erklären und weniger durch einen nachhaltigen und sinnhaften Inhalt.


Die gesellschaftliche Entwicklung sowie die jüngeren Generationen X bis Z sorgen nun für eine neue Betrachtung des Begriffs „Arbeit“. Mit der zunehmenden Relevanz der Kategorie „Sinn“ und der stärker werdenden Tendenz sich im Beruf auch persönlich verwirklichen zu können, weist die gegenwärtige Definition des Arbeitsbegriffs weit über die bislang gültigen Regelungen im Alltag der meisten Unternehmen hinaus. Wer Sinn in seinem täglichen Handeln finden möchte, muss sich die Frage stellen, zu welchen Teilen man sich in der Wertschöpfungskette wiederfindet und in welchem Zusammenhang dies

zum Wohle des persönlichen und gesellschaftlichen Werteverständnis geschieht. Da der Wunsch nach individueller Verwirklichung in Zukunft immer größer werden wird, sollten sich Unternehmen schnellstens damit auseinandersetzen, wie sie die Fähigkeiten und Kompetenzen, die Bedürfnisse und Werte, die Interessen und Persönlichkeitsmerkmale, ihrer Mitarbeiter erkennt und möglichst effektiv nutzen kann. Die dafür benötigten Informationen gewinnen Unternehmen jedenfalls nicht durch Lebensläufe, die durch eine Software ausgelesen und eingeschätzt werden, sondern durch einen möglichst frühen, objektiven und kontinuierlichen Austausch (Robbins und Judge 2010).


Viele Unternehmen werden künftig mit ihren wertvollsten Ressourcen, den Menschen und dem Wissen, sorgsamer umgehen und mehr Wert auf die Betrachtung des tatsächlichen „Organisationsverhaltens“ legen (Baker 2019). Sie werden das Ideengut, die Persönlichkeit, das Verhalten, die Interessen und die Erfahrungswerte jedes Einzelnen in Prozesse, Produktentwicklungen und Projekte mit einbeziehen und dadurch die inhaltlichen Aspekte der Arbeitsstrukturen und -gestaltung grundlegend verändern. Das Organisationsverhalten, also die Anwendung von Wissen darüber, wie Einzelpersonen und Gruppen im Sinne ihrer Passung in einer Organisation empfinden, handeln und reagieren, stellt eine wertvolle Quelle dar, durch die die höchste Qualität von Leistungen erreichbar wird, denn „Menschen sind ersetzbar – Persönlichkeiten nicht“.



1.2 Die Grundlagen des „Organisationsverhaltens“


Laut Robbins und Judge (2010) untersucht das Organisationsverhalten den Einfluss und die Auswirkungen, die Einzelpersonen, Gruppen und Organisationsstrukturen auf das Verhalten innerhalb der Organisation haben, um dieses Wissen zur Verbesserung der Effektivität einer Organisation anzuwenden. In der heutigen Geschäftswelt sollte die systematische Analyse des Organisationsverhaltens ein wesentliches Instrument zur Verwaltung effektiver Teams sein und helfen, menschliches Verhalten in einer Organisation zu verstehen und vorherzusagen. Es wird untersucht, wie Organisationen gewinnbringender strukturiert werden können und wie sich innere und äußere Ereignisse auf Organisationen auswirken.


Eines der Hauptziele des Organisationsverhaltens ist die Vitalisierung einer wertschöpfenden, ganzheitlichen Organisationsstruktur und die Entwicklung einer besseren Konzeptualisierung des Zusammenspiels in Organisationen. Als multidisziplinäres Feld wurde das „organisatorische Verhalten“ durch Entwicklungen in einer Reihe verwandter Disziplinen wie der Soziologie, Psychologie, Medizin und der Wirtschaftswissenschaften sowie durch die Erfahrung von Praktikern beeinflusst.


Die Wurzeln der Studien im Bereich „Organisationsverhalten“ gehen vor allem auf die sozialen und kulturellen Änderungen während der industriellen Revolution zurück. Einer Zeit, in der auch neue Organisationsformen (siehe „Taylorismus“) eingeführt wurden. Heute handelt es sich um eine normative und angewandte Wissenschaft, die einen ganzheitlichen Ansatz zur Organisationsentwicklung und -strukturierung verfolgt.


Das Messen und Erkennen der Treiber und Barrieren in einem Unternehmen hat in den letzten Jahren signifikant an Bedeutung gewonnen (Brief und Weiss 2002; Robbins und Judge 2010). Durch den gesellschaftlichen Wandel, die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung, sowie den stetigen Wandel im Werteverständnis und vor dem Hintergrund einer zunehmenden Tendenz hin zu einer Individualisierung, müssen Unternehmen es meistern, sich an die sich schnell ändernden äußeren Bedingungen anzupassen. Alle Organisationen

und Gruppen erfahren täglich die direkte Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung. Um die Leistung der Menschen innerhalb eines Systems oder einer Gruppe zu maximieren, ist es wichtig, eine optimale zwischenmenschliche Chemie in dynamischen Netzwerken zu entwickeln (Kristof-Brown et al. 2005).


Der Zweck des organisatorischen Verhaltens besteht darin, ein besseres Verständnis der Faktoren zu erlangen, die die Dynamik von Einzelpersonen und Gruppen in einem organisatorischen Umfeld beeinflussen. Pragmatisch und in den Alltag gedacht, geht es um die Passung von Menschen und ihrem Arbeitsumfeld (Baker 2019). Dieses Verständnis kann dann genutzt werden, um Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen, denen sie angehören, effizienter und effektiver werden zu lassen. Ein Großteil der Bewertung und Ermittlung organisatorischen Verhaltens zielt letztendlich darauf ab, der Geschäftsführung

und den Fachleuten des Personalmanagements die Informationen und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um Mitarbeiter so auszuwählen, zu schulen und zu befähigen, dass sowohl für den einzelnen Mitarbeiter als auch für das Unternehmen ein maximaler Nutzen erzielt wird (Brief und Weiss 2002; Robbins und Judge 2010).


Das Analysieren und Erkennen des organisationalen Verhaltens, ermöglicht es Unternehmen, bisher nicht erkannte oder nur unzureichend identifizierte Kapazitäten nutzbar zu machen. Dabei betrachten die Messverfahren nicht die klassischen Elemente der Unternehmenssteuerung, also Umsatz, Kosten, Gewinn etc., sondern fokussieren mehr auf die Passung von Mensch, Aufgabe und Umfeld, also die „menschliche Seite“ der Organisationsstruktur. Die weit verbreiteten finanziellen Kennzahlen oder KPIs (key performance indicator), beziehen sich größtenteils auf definierte Projekte und deren Durchführung oder auf die Messung der „finanziellen Stärke“ – also auf eine situative Bestimmung, die den „vergangenen Erfolg“ ermitteln soll. Die Elemente des Organisationsverhaltens fokussieren hingegen auf die Messung von „förderlichem und hinderlichem Verhalten“ der Individuen und beschreiben das Zusammenspiel der Organisationsteile. Im Hinblick auf die gewünschte Zieldefinition (z. B. Innovationsförderung, prozessuale Verbesserung etc.) liefern die vergleichenden Untersuchungen also klare Messpunkte, die eine bewusste, objektive und vor allem kontinuierliche Steuerung der Organisation ermöglichen. Sie reduzieren den geschäftlichen Erfolg nicht auf teilweise stark subjektiv beeinflussbare Kennzahlen, sondern geben Auskunft über eine „innere“ Einschätzung und Bewertung der jetzt und zukünftig relevanten Erfolgsfaktoren. Damit fördert die Identifikation des Organisationsverhaltens sowohl ein funktionierendes Wertesystem, die Innovationskraft, eine sinnhafte prozessuale Gestaltung, als auch die Kommunikation, reflektierendes Führungsverhalten

und Lösungs- und Veränderungskompetenz innerhalb der Organisation.


Organisationsverhalten ist ein interdisziplinäres Studienfeld. Einer der Hauptgründe für diesen interdisziplinären Ansatz liegt darin, dass der Bereich des Organisationsverhaltens mehrere Analyseebenen umfasst, die zum Verständnis des Verhaltens innerhalb von Organisationen erforderlich sind, da Menschen nie isoliert handeln. Das heißt, die Arbeitnehmer beeinflussen ihre Umwelt und werden auch von ihrer Umwelt beeinflusst. Innerhalb der Verfahrensweisen zur Bestimmung von Organisationsverhalten gibt es nur wenig absolute Wahrheiten, was u. a. mit den „Kontigenzvariablen“ in Verbindung steht. Viele der erhobenen Ergebnisse beschreiben also situative Merkmale oder situationsbezogene Variablen, die zwischen unabhängigen und abhängigen Faktoren fungieren. Als Beispiel ist es dem Mann im Allgemeinen wichtiger mehr Geld zu verdienen, als der Frau.


Die u. a. relevanten Ebenen einer Organisationsbewertung (Abb. 1) könnten jedoch wie folgt adaptiert werden (Kristof-Brown et al. 2005). Es handelt sich um ein Modell und eine Abstraktion einer aus verschiedenen Perspektiven wahrgenommenen Realität.


Vereinfachte Darstellung der relevanten Themengebiete zur Beurteilung der Passung im ganzheitlichen Organisationsansatz
Abbildung 1


Erläuterung zu Abb. 1:

Job Fit: persönliche Wahrnehmung (Passung zur Anforderung, Werte, Persönlichkeit, Bedürfnisse, Kompetenzen etc.).

Team Fit: Wahrnehmung der Zusammenarbeit in einer Gruppe (Verhaltensmuster, Kommunikationsmuster, Austausch etc.).

Supervisor Fit: Wahrnehmung des Führungsverhaltens (Führungsstil vs. Produktivität).

Organization Fit: Wahrnehmung der Passung zur Organisation (Werte, Kulturattribute, Normen etc.)


Auf der individuellen Analyseebene umfasst organisatorisches Verhalten u. a. das Studium von Anforderung und individueller Passung, Kompetenzen, Wahrnehmung, Kreativität, Motivation, persönlichkeitsbezogenen Merkmalen, förderlichem Verhalten und hinderlichem Verhalten. Auf dieser Analyseebene stützt sich das organisatorische Verhalten stark auf Psychologie, Ingenieurwesen und Medizin (Brief und Weiss 2002; Robbins und Judge 2010).


Auf der Teamebene der Analyse umfasst organisatorisches Verhalten Untersuchungen zu Gruppendynamik, zu Konflikten und Zusammenhalt innerhalb und zwischen Gruppen, zwischenmenschliche Kommunikation, Netzwerken und Rollen. Auf dieser Analyseebene stützt sich das Organisationsverhalten am ehesten auf die soziologischen und sozialpsychologischen Wissenschaften (Kristof-Brown et al. 2005).


Auf der Supervisor-Ebene geht es maßgeblich um die Identifikation des tatsächlich wahrgenommenen Führungsverhaltens, sowie der Bewertung möglicher Effekte auf Mitarbeitermotivation, Delegation, Informationsverhalten, Förderung wie auch das gegenseitige Verständnis. Ebenso werden die Effekte im Hinblick auf die Steuerung von Geschäftsprozessen erhoben (Kim und Kim 2013).


Auf der Organisationsebene werden Untersuchungen zu Organisationskultur, Organisationsstruktur, interorganisatorischer Zusammenarbeit, zu Werten, Prozesssteuerung und externen Umweltfaktoren zusammengefasst. Auf dieser Analyseebene stützt sich das Organisationsverhalten auf Anthropologie und Politikwissenschaft (Kristof-Brown et al. 2005).


Allen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie Organisationen in starkem Maße als komplexe, dynamische Gebilde mit einem sozio-ökonomischen Mischcharakter ansehen. Sie sollen den Zweck, das Entstehen und die Funktionsweise von Organisationen annähernd erklären und die Gestaltung von Schnittstellen zwischen Verantwortungsbereichen entlang arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse positiv beeinflussen. Die folgenden Ausführungen stützen sich dabei auf die Hypothese, dass die Bewertung der „Passung“ (zu den Anforderungen an die Arbeit, der Gruppenausrichtung im Team, dem Führungsverhalten, wie auch zu den Organisationswerten bzw. der „Kultur“), als eine hinreichende Methodik angesehen werden kann, im Versuch, die „Realität“ nähergehend und objektiv zu beschreiben und dadurch gewinnbringendes Verhalten gefördert werden kann.



1.3 Die Zielsetzung des Organisationsverhaltens


Die Organisationen, in denen Menschen arbeiten, wirken sich auf ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen aus. Diese Gedanken, Gefühle und Handlungen wirken sich wiederum auf die Organisation selbst aus. Das organisatorische Verhalten untersucht die Mechanismen, die diese Interaktionen steuern, und versucht, jene Verhaltensweisen und Passung zu identifizieren und zu fördern, die dem Überleben und der Effektivität der Organisation förderlich sind.


  1. Arbeitszufriedenheit.

  2. Die „passenden“ Leute finden.

  3. Organisationskultur.

  4. Führung und Konfliktlösung.

  5. Mitarbeiter besser verstehen.

  6. Verstehen, wie man „gute“ Führungskräfte entwickelt.

  7. Verstehen, was ein „gutes Team“ ist und wie es entwickelt werden kann.

  8. Höhere Produktivität.

Diese 8 beispielhaft gewählten Ziele des Organisationsverhaltens zeigen, dass dieses sich mit Menschen innerhalb des Unternehmens befasst, wie sie interagieren, wie zufrieden sie sind, wie motiviert sie sind und wie sie auf eine Weise verbessert werden können, die die höchste Produktivität ermöglicht. Die unterliegenden Mechanismen beeinflussen direkt oder indirekt die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Im unternehmerischen Kontext sind das: Produktivität, Wertschöpfung, Gewinn, Kosten, Umsatz, Fehlzeiten, Fluktuation,

Engagement und (Arbeits-) Zufriedenheit. Es handelt sich hierbei um die Faktoren, die von irgendeiner Verhaltensweisebeeinflusst werden könnten und welche wiederum selbst positiv im Sinne des Organisationszwecks beeinflusst werden sollen. Eine Einflussnahme kann u. a. in vier Ebenen erfolgen (siehe Abb. 1) und beinhaltet auf der Individualebene die persönliche Passung zur Anforderung, Kompetenzen und Bedürfnisse. Auf Teamebene geht es um die Bewertung der Zusammenarbeit, also u. a. um Interaktion, Kommunikations- und Verhaltensmuster. Neben dem Führungsverhalten in Ebene 3 ist innerhalb dieses Modells auch die Identifikation mit den Werten, Normen und Vorgaben der Organisation in Ebene 4 von Bedeutung (Brief und Weiss 2002).


Menschen suchen in jeder Phase ihres Lebens nach Befriedigung. Von der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse, wie Hunger, Durst, Ruhe und soziale Interaktion, hat die Gemeinschaft heute darüber hinaus ihren eigenen Maßstab für Ziele und Erfüllung, der mehr oder weniger von Einzelpersonen erreicht werden kann, oder erreicht werden sollte. Ein Element von Erfüllung und persönlicher Zielerreichung ist die Sicherung eines „guten“ Arbeitsplatzes, vorzugsweise mit einer guten Bezahlung und hoffentlich mit einer hohen Arbeitszufriedenheit. Es gibt aber keine festen und formalen Richtlinien, wie die Arbeit bewältigt werden kann, um den Einzelnen zu motivieren, die persönliche Arbeitszufriedenheit oder die Organisationsziele zu erreichen. Vielmehr handelt es sich um ein sehr komplexes „Ökosystem“, welches durch die unterschiedlichsten Facetten der Person selbst und der Umwelt beeinflusst wird (Baker 2019). Gleichzeitig handelt es sich aber auch um ein sehr dynamisches System der Interaktion, so dass die Zielsetzung nicht lauten kann, dieses System allgemeingültig und allumfassend wissenschaftlich definieren zu wollen. Es geht daher um die Annäherung an die wahrgenommene Realität aus verschiedenen Perspektiven (Robbins und Judge 2010). Umso mehr wir verstehen, wie und warum bestimmte Gruppen erfolgreich und zufrieden an definierten Aufgaben arbeiten, desto mehr können diese Impulse und Eindrücke genutzt werden, um andere Personen und Gruppen ebenfalls auf Basis dieser Erfahrungswerte in der Entwicklung zu fördern. Aufgrund der Erforschung und des Lernens des Organisationsverhaltens können Einzelpersonen und Gruppen dabei unterstützt werden, eine positive Arbeitseinstellung gegenüber ihrer eigenen Aufgabe und ihrer beruflichen Verantwortung zu praktizieren. Ebenso können Barrieren oder auch Treiber in der persönlichen Passung zur Anforderung, oder auch in der Interaktion zu anderen Gruppenmitgliedern oder einem bestimmten Führungsverhalten erkannt und bestmöglich angepasst werden.


Im Alltag erfahren alle Organisationen und Gruppen die direkte Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung. Um die Leistung der Mitglieder eines Systems zu maximieren, ist es wichtig, eine optimale zwischenmenschliche Chemie zu entwickeln. Es gibt immer mehr Anhaltspunkte dafür, dass das Unterrichten und Implementieren von Soft Skills im Bildungs- und Organisationsschulungsprozess einen höheren Stellenwert erhalten sollte, gleichzeitig Soft Skills aber Hard Skills immer nur ergänzen und nicht ersetzen

sollte (Brief und Weiss 2002).


Die Ermittlung des Organisationsverhaltens weist jedoch auch Limitierungen auf. Sie gibt immer nur einen Teil der „gelebten Organisation“ wieder und kann Konflikte, Frustration, Missverständnisse oder Kommunikationsschwächen nicht vermeiden, sie kann deren negative Auswirkungen aber schwächen. Das Erkennen des eigenen Organisationsverhaltens eröffnet sich durch einen definierten Weg in Richtung „Verbesserung“ auf Basis der menschlichen Wahrnehmungen aus der Organisationsstruktur selbst. Es beansprucht aber nicht die absolute Lösung für alle Probleme zu sein und sollte immer als eine ergänzende Vorgehensweise betrachtet werden, die die reale Situation hinreichend aber nicht allumfassend beschreiben kann. So sollten die Ergebnisse und daraus resultierende Handlungsvorschläge immer im Kontext der Situation und der Realität verstanden und angewandt werden.



2 Die Bewertung des Organisationsverhaltens und dessen Bedeutung für Effektivität


Wenn Mitarbeiter sich ihrem Arbeitgeber emotional verbunden fühlen, sich mit ihrer Aufgabe, ihrem Team und dem Führungsverhalten des Unternehmens identifizieren, dann haben sie auch ein persönliches Interesse daran, dass es dem Unternehmen gut geht – die unternehmerischen Interessen werden so zu ihren eigenen. Diese Mitarbeiter äußern sich im Regelfall auch positiv über ihren Arbeitgeber, zeigen eine hohe Motivation und Leistungsbereitschaft sowie Freude an der Arbeit. All dies hat Auswirkungen auf Produktivität, Kundenservice, Umsatz, Innovationsfähigkeit und das Image des Unternehmens (Brief und Weiss 2002).


Ein Unternehmen, welches effektiv und „agil“ (im Sinne von „veränderungskompetent“) arbeiten möchte, sollte verstärkt auch auf verschiedene Elemente der „Passung“ innerhalb des Organisationsverhaltens achten.

  1. Eine gute Passung zwischen Bewerber oder Mitarbeiter und Job (Anforderungen) stellt beispielsweise nicht nur eine wichtige Voraussetzung für die Gewinnung von neuen Mitarbeitern dar, sondern auch für die erfolgreiche Integration der Mitarbeitenden in das Unternehmen und die anhaltend hohe Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit in der vorhandenen Organisation.

  2. Die stetige Bewertung des wahrgenommenen Führungsverhaltens und seine Passung zur Zielausrichtung und Teamkonstellation, sichert einen verlässlichen ehrlichen Austausch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden.

  3. Eine gute Passung einzelner Teammitglieder zueinander (cave: Passung heißt hier nicht „identische Meinungen und Rollen“!) sichert ein gemeinsames Vertrauensverhältnis und stärker ausgeprägte Interaktion und Leistungsbereitschaft.

  4. Nicht zuletzt ist die Passung der Mitarbeiter zu den organisationalen Wertvorstellungen und Normen bedeutend.

Doch wie kann ein Unternehmen oder eine Institution in einem vorhandenen Organisationssystem solche Bewertungen vornehmen? Wie kann von diesen Feststellungen profitiert werden?



2.1 Wie Unternehmen und Gruppen von Organisationsverhalten profitieren


Eine Organisation oder Gruppe profitiert in fünf wesentlichen Punkten, wenn Führungskräfte eine starke Grundlage im organisatorischen Verhalten haben (Kristof-Brown et al. 2005):

  1. Die Organisation erhält einen Bezugsrahmen, der das Zusammenspiel von Gewinn, Wertschöpfung, Produktivität und den menschlichen Ressourcen verdeutlicht.

  2. Führungskräfte verstehen die organisatorischen Auswirkungen von Einzel- und Gruppenverhalten und erhalten Handlungsvorschläge, die Zufriedenheit, Produktivität und Gesundheit fördern können.

  3. Die Organisation wird effektiver bei der Motivation der Mitarbeitenden und steigert das Vertrauen zwischen Führungsebene und Teams.

  4. Führungskräfte können das Verhalten von Mitarbeitenden besser einschätzen und steuern und reduzieren Kündigungsabsichten.

  5. Die Organisation ist in der Lage, die Humanressourcen optimal einzusetzen und die Anforderungen für eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung mit den persönlichen Merkmalen der Mitarbeitenden abzustimmen.

Natürlich sind die Anforderungen an die Führungsebene auf Basis der Dynamik und des schnelllebigen Routinegeschäfts sehr hoch. Führung ist nicht gleich Führung. „Manager“, „Leader“ und „Expertenchefs“ unterscheiden sich in ihren Fähigkeiten und an jeden sind unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale geknüpft, die jeweils situativ förderlich oder hinderlich sein können. Das hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die gesamte Organisation.


Allzu häufig werden Führungskräfte mehr als „Manager“ denn als „Leader“ im operativen Bereich eingesetzt. Klassischerweise gibt die Geschäftsführung die Ordnung, Struktur und Ausrichtung vor. Dann werden „Arbeitspakete“ formuliert, die in der Führungskaskade umgesetzt werden sollen. Die Bewertung einer erfolgreichen Umsetzung erfolgt leider viel zu oft nur auf Basis der Kennzahlen für ein Projekt oder einen internen Auftrag – also retrospektiv. So besteht die Gefahr, dass Teams ihre jeweilig definierten Ziele zwangsläufig priorisieren, Schnittstellen nur unzureichend abgeklärt werden und der ganzheitliche Wertschöpfungsprozess an diversen Übergängen „hinkt“. Es fehlt in einer solchen Struktur häufig an Motivation die Dinge inhaltlich abzustimmen, es kann zu wenig authentischem Führungsverhalten kommen, um die eigene Position in der Hierarchie zu sichern und das wiederum führt zu weniger Identifikation des Einzelnen mit der Unternehmung und erzeugt ein höheres Maß an Unzufriedenheit.


Eine langfristig erfolgreiche Organisation hat ein sehr gutes und vor allem kontinuierliches Verständnis des eigenen Verhaltens und des eigenen Wertesystems. Einmal pro Jahr eine Unternehmensbefragung durchzuführen und fest strukturierte teils starre Trainingsinhalte für die verschiedenen Führungsebenen anzubieten, reicht nicht aus, um eine lebendige veränderungskompetente Organisation zu formen. Hier ist eine regelmäßige „Pulsmessung“ deutlich wirksamer, um auch unterjährige Anpassungen vornehmen zu können.



2.2 Die Einführung eines ganzheitlichen Steuerungssystems – die „menschliche Seite des Geschäfts“


In der Routine sind Führungskräfte und Teams häufig stark ausgelastet. Die „Waage“ kippt mehr und mehr in Richtung der operativen Umsetzungsverpflichtung statt in Richtung der in Zukunft stärker benötigten „Leadership-Kompetenzen“. Individuelle Bedürfnisse, Stärken und Schwächen, Interessen, persönliche Merkmale und Fähigkeiten, Kompetenzen und Potenzial werden beispielsweise nur unzureichend, wenn überhaupt, für die Steuerung der Organisation oder der Teams genutzt. Die Bewertung dieser Merkmale hängt zu

stark von der individuellen Konstitution oder Einschätzung der jeweiligen Führungskraft ab. Außerdem offenbart die Mehrheit der Führungskräfte in einer Organisation stark abweichende Fähigkeiten und Führungsstile. Ein „Leitplankensystem“ für das Verständnis situativer Führung und des entsprechend förderlichen Verhaltens wäre sinnvoll, da Mitarbeitende auf ihrem beruflichen Weg meist nicht nur eine Führungskraft begleiten, sondern mehrere und zwangsläufig Vergleiche anstellen werden. Eine objektive Bewertung solcher

Facetten kostet Zeit, die meist nicht vorhanden ist oder investiert wird – eine Dilemmasituation.


Einen Ausweg aus dieser Situation könnten die Grundlagen für organisatorisches Verhalten aufzeigen. In der heutigen Zeit kann ein digitales Steuerungssystem zur Bewertung der Passung im Organisationsverhalten in Unternehmen jeder Größe relativ pragmatisch und anonym (unter Betrachtung der Vorgaben eines Betriebsrats) implementiert werden (siehe Abb. 2). Das Verfahren beruht auf regelmäßigen Befragungen oder Analysen, die den Führungskräften und den Mitarbeitenden zugeteilt werden. Durch deren Bewertungen und Antworten erstellt das System eine „Helikopter-Perspektive“ auf die Organisation. Es spiegelt sozusagen kontinuierlich die „menschliche Seite des Geschäfts“. Durch eine stetige Erhebung der Impulse und Merkmale in den Organisationsteilen, erhält die Organisation einen Bezugsrahmen, der das Zusammenspiel von Gewinn, Wertschöpfung, Produktivität und den menschlichen Ressourcen verdeutlicht. Dabei bleiben die Ergebnisse und Vorschläge aus dem System primär zunächst unabhängig von der „Filterfunktion der Führungskräfte“.


Ein solches Vorgehen kann außerdem sehr „leise“ erfolgen, das heißt, es sind keine IT-Anbindungen, Schnittstellen oder andere technischen Integrationsprozesse notwendig, die das Routinegeschäft potenziell stören könnten. Das Verfahren ermittelt kontinuierlich ausgewählte relevante Facetten der „real wahrgenommenen Arbeitswelt“ (Sicht der Mitarbeitenden), kann die Impulse aus der Belegschaft abfragen und wahrnehmen sowie strukturieren, zeigt die Bedürfnisse der einzelnen Teams auf und stellt diese vergleichend dar. Zusätzlich erhebt die Software u. a. auch das wahrgenommene Führungsverhalten. So profitieren alle Ebenen der Organisation durch höhere Transparenz in der Gruppe und durch teamspezifische Handlungsvorschläge. Diese können vom Team selbst, durch, oder besser, mit der Führungskraft oder einem geschulten Experten / Coach umgesetzt werden. Sowohl das Ergebnis, wie auch der Handlungsvorschlag generieren sich aus 1. einem Algorithmus, der die unterschiedlichen Messwerte miteinander in Kontext setzt und auswertet, sowie 2. einer fachmännischen menschlichen Einschätzung der Situation (auf Basis vorliegender Ergebnisse, ihrer langfristigen Entwicklung sowie in Bezug auf anerkannte Führungspraktiken, Mentoring und Coaching). Die Software ermöglicht somit die vielversprechende Verbindung von objektiver Bewertung und subjektiv menschlicher Erfahrung in der Routine.


Dabei ist zur Steuerung des Systems keine Einwirkung der Organisation selbst notwendig. Es geht also keine Arbeitszeit verloren und das System wird zu einer Art „virtuelle Organisations-Begleitung“, die in vorher definierten Intervallen anzeigt, wie die Stärken gestärkt und wie die Schwächen unwesentlich gemacht werden könnten. Dabei analysiert die Vorgehensweise die unter Abschn. 1.2 genannten vier Dimensionen „Job Fit“, „Team Fit“, „Supervisor Fit“ und „Organization Fit“.


Schematische Darstellung der Primär-Ergebnisse aus der Organisationsbetrachtung
Abbildung 2

Erläuterung zu Abb. 2:

A Darstellung der organisationsweiten vergleichenden Untersuchung zu Mitarbeiter-Feedback und der Zufriedenheit, sowie zur Wahrnehmung der Passung zum Job, zur Teamarbeit, zum Führungsverhalten und zu den Werten und Normen der Organisation.

B Darstellung eines spezifisch ausgewählten Teams in der Organisation aus A.

C Vorschläge und Handlungsempfehlungen zur Weiterarbeit an den identifizierte

Themen auf Teamebene.

D Darstellung der höchsten und niedrigsten Bewertungen auf Einzelteamebene.


Als Grundlage und methodischen Rahmen bedient sich das System aus einer Batterie vordefinierter, oder auch organisationsspezifischer Analysen und Befragungen. In Anlehnung an die Ergebnisse einer Studie von Kristof-Brown et al. (2005), kann mit diesem Instrumentarium die Passung von Personen mit den Variablen des beruflichen Umfeldes auf den vier Ebenen annähernd untersucht werden. Dabei bleibt die Anonymität der befragten Personen jederzeit bewahrt, denn die Ergebnisse werden immer nur bis zur Team-Ebene ausgewertet.


Der Vorteil: Das Unternehmen erhält einen objektiveren und kontinuierlichen Einblick in die Treiber und Barrieren der Organisation und profitiert von team- und organisationsspezifischen Handlungsvorschlägen. Der zeitliche Aufwand zur Durchführung der Analysen und Befragungen beträgt im Regelfall zwischen 60 und 180 Minuten pro Jahr und Mitarbeitendem. Das Ziel ist dabei eine zufriedene und produktive Interaktion zu fördern und das Verständnis und Vertrauen zwischen Führungsebene und Mitarbeitenden zu stärken.


Mittels einer individuell anpassbaren Reporting-Struktur, erhält die Organisation die Möglichkeit, flexibel verschiede Organisationsteile vergleichend darzustellen, oder kann sich ein Bild von den am stärksten oder schwächsten ausgeprägten Merkmalen machen. Die Ergebnisse beruhen auf einer festgelegten Verfahrensstruktur (siehe Abb. 3)


Schematische Darstellung des typischen Verfahrensablaufs zur Bestimmung der organisationalen Wahrnehmung über ein Kalenderjahr
Abbildung 3

Erläuterung zu Abb. 3: Spezifische Coachingelemente können wahlweise die Umsetzung und Optimierungsprozesse unterstützen bzw. beschleunigen. Die regelmäßige Re-Evaluation dient der Qualitätssicherung der Prozesse und bildet jeweils den Startpunkt für weitere Optimierung.

  1. Oberflächen-Sensorik“: Durch digitale Befragung wird ein reales anonymes Stimmungsbild der Gesamtorganisation sowie der einzelnen Teams in unterschiedlichen Funktionen erhoben. Die Ergebnisse beinhalten die Wahrnehmung der eigenen Passung zu den Anforderungen („Job Fit“) sowie die Definition der eigentlichen Anforderungen, der Zusammenarbeit im Team („Team Fit“), des Führungsverhaltens („Supervisor Fit“), sowie die Identifikation mit den Unternehmenswerten und Normen („Organization Fit“). Gleichzeitig werden Impulse aus der Belegschaft erfragt und Barrieren und Treiber im Alltag, in der Kommunikation oder in spezifischen Prozessen erkannt. Inkludierte teamspezifische Handlungsvorschläge unterstützen die Führungskräfte in einer möglichst effektiven Umsetzung erster definierter offensichtlicher Handlungsfelder.

  2. Umsetzungsphase: Arbeiten an den Ergebnissen evtl. durch Coachingunterstützung

  3. Puls-Sensorik“: Die Handlungsfelder, die aus 1. hervorgegangen sind, werden über eine 1 bis 2-minütige Pulsbefragung nachgehalten. So erhalten Organisationen eine jeweilige „Fieberkurve“, die die Umsetzung in den Teams kontinuierlich beschreibt und die durch Coachingaspekte gestützt werden kann.

  4. Tiefen-Sensorik“: Je nach Merkmalsausprägung in den Organisationsteilen, werden analytische Methoden in den Bereichen „Job-Passung“, „Zusammenarbeit im Team“, „Führungskompetenz“ oder „Wertemanagement“ angewendet (siehe Abb. 4).


Übersicht zu den weiterführenden Tiefenanalysen zur Konkretisierung der individuellen oder organisationalen Verhaltensweisen
Abbildung 4

Erläuterung zu Abb. 4: Analysen werden situationsspezifisch gewählt und eingesetzt. Hierbei handelt es sich jeweils nur um eine Annäherung zu den Wahrnehmungen in der Organisationsstruktur.


Die Auswertungen erhalten neben den „realen Wahrnehmungen“ aus Sicht der Belegschaft auch weitere Informationen zu Barrieren und Treibern in der Organisation und sind als ein kontinuierliches Verfahren zu verstehen. Es setzt sich zum Ziel, die Organisation zur ständigen Weiterentwicklung zu motivieren und frühzeitig zwischen Führung und Mitarbeitenden zu vermitteln. Durch die Vielfalt der Variablen und die Komplexität der Interaktion, bietet sich keine Möglichkeit alle Aspekte der Organisation realistisch abzubilden, doch das Verfahren erhöht die Sensitivität für die gemeinschaftliche Interaktion, für förderndes und schädliches Verhalten, sowie für ein werteorientiertes Miteinander. Die Effekte lassen sich, trotz ihrer Varianz je nach der ausgewählten Methodik, wie folgt zusammenfassen (Kristof-Brown et al. 2005):


Auf Unternehmensebene „Organization Fit“ wird die Zufriedenheit um 44 % gesteigert, das Engagement um 51 % und die Performance um 7 %, zusätzlich reduzieren sich Kündigungsabsichten um −35 % und Kündigungen um −14 %.

Die Ergebnisse zeigen auch auf den weiteren Ebenen des Organisationsverhaltens ein ähnliches Bild: Zufriedenheit (Team +31 %, Supervisor +44 %, Job +56 %), Engagement (Team +19 %, Supervisor +9 %, Job +47 %), Performance (Team +19 %, Supervisor +18 %, Job +20 %).



2.3 Modernisierung der Führung als Notwendigkeit für effektive Organisationssteuerung


Zahlreiche Unternehmen machen sich auf den Weg in die neue Arbeitswelt und versprechen sich, ihre Leistung und Innovationskraft zu stärken sowie die Produktivität und Gesundheit der Mitarbeitenden zu verbessern. Das Potenzial neuer Arbeitsformen ist in der Tat riesig: Eine Studie zur Wirksamkeit neuer Arbeitsformen ergab eine mögliche Produktivitätssteigerung der Beschäftigten von bis zu 35 Prozent (Bruch und Schuler 2016). Dies gelingt allerdings nur wenigen Unternehmen.


Leadership gewinnt in der neuen Arbeitswelt immens an Bedeutung. Es braucht jedoch eine neue Fokussierung und Akzentuierung wichtiger Facetten des organisationalen Zusammenlebens und eine entsprechende Vitalisierung des Führungsverhaltens, um die äußeren Gegebenheiten aus demografischem Wandel, Wandel des Werteverständnisses und der Arbeitsweisen entsprechend sinnhaft zu berücksichtigen. Dabei lassen sich bei genauerer Betrachtung der Einflussfaktoren verschiedene Treiber identifizieren:

  1. In Zukunft wird es noch wichtiger für Führungskräfte sein zu „inspirieren“, als Vorbild voranzugehen und ein „echtes Interesse“ am Individuum und den jeweiligen Stärken und Schwächen zu zeigen. Es wird verstärkt darum gehen, für Sinn und Mehrwert zu stehen und zu versuchen, die individuellen Fähigkeiten, Kompetenzen und auch Schwächen in eine Passung mit der Anforderung und dem Umfeld zu bringen und dadurch ungenutzte Kapazitäten und Potenziale zu heben.

  2. Es wird darum gehen, ein starkes und verständliches Wertesystem zu „leben“ und am Leben zu halten. Dabei werden die gegenseitige Unterstützung und das Vertrauen im Vordergrund stehen. Nur durch verbindliche und zuverlässige Zusammenarbeit werden starke Beziehungen geschaffen, die wiederum die Befähigung und persönliche Weiterentwicklung ermöglichen werden.

  3. Die Führungskraft von morgen sollte sich authentisch verhalten und den Mitarbeitern oder Prozesseignern einen hilfreichen und sinnvollen Handlungsspielraum bieten. Es sind weniger „Einzelhelden“ gefragt, denn diese werden in einem hochdynamischen Miteinander nicht mehr mit allen Herausforderungen in den Bereichen Kommunikation, Wertschätzung, Prozessplanung und Führung standhalten können.

  4. Dazu muss eine Führungskraft sehr feine Antennen der Wahrnehmung entwickeln, um Kompetenzen, Interessen, Bedürfnisse und persönliche Merkmale zu erkennen und optimal einsetzen zu können, oder Systeme nutzen, die dabei unterstützen. Schließlich geht es auch darum, Menschen zu finden, die den höchsten Grad der „Passung“ zu den Anforderungen und dem Umfeld zeigen.

Die Organisationsstrukturen stehen vor einem massiven Umbruch, der uns und der Arbeitswelt eine Vielzahl neuer Chancen bieten wird, zufriedener, wertschöpfender, gesünder und produktiver arbeiten zu können. Die Effekte sind in empirischen Studien belegt. So verdeutlicht der Hays HR Report (Eilers et al. 2015), dass ausgerechnet die folgenden drei größten Herausforderungen zum „Nadelöhr“ einer neuen Führung und eines Wandels in Richtung neuer Arbeitswelt werden können: 1. keine Zeit für Führung, 2. die Schwierigkeit, loszulassen und Handlungsspielräume einzuräumen und 3. der Schritt von einer anwesenheits- zur ergebnisorientierten Kontrolle. Die dadurch entstehenden Konsequenzen sind schwerwiegend für die Motivation der Mitarbeitenden und die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität (Bruch et al. 2015).


Durch die Anwendung des beschriebenen Organisationsdiagnose-Modells könnten Unternehmen sehr viel schneller mögliche interne Barrieren objektiv erkennen, Produktivität und Zufriedenheit steigern und somit Führungsebenen und Mitarbeitende vor allem nachhaltig unterstützen, effektiv und wertschöpfend zu arbeiten. Daraus ergibt sich ein organisatorischer Kreislauf, der Umsatz und Gewinn steigern kann und Kosten reduziert. Im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung vollzieht sich ein Wertewandel innerhalb der Gesellschaft. Dies wird, wie vormals beschrieben, unter anderem am Arbeitsplatz deutlich. Die Wertzuschreibung von Flexibilität, eigenverantwortlichem Handeln, Selbstverwirklichung und Work-Live-Balance haben deutlich zugenommen. In früheren Zeiten gab es auch deutlich weniger individuellen Handlungsspielraum. Dementsprechend ändert sich auch die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden gegenüber dem Unternehmen in Richtung werteorientiertes, sinnhaftes Arbeiten. Die in Abschn. 2 beschriebenen Verfahrensweisen können bei der Identifikation des status quo unterstützen und liefern die Grundlage für ein optimiertes werteorientiertes Führungsverhalten.



3 Führungsverhalten optimieren durch eine integrierte und wertegesteuerte Führung


3.1 Bedürfnisse und Werte und deren Rolle in der wertegesteuerten Führung


Der Umgang mit Werten spielt nicht nur in unserem beruflichen Alltag eine maßgebliche Rolle. Jeder Einzelne ist dabei stark geprägt von seiner persönlichen Entwicklung, ausgehend von seiner Erziehung und weiteren Ausbildung. Geht man auf den lateinischen Ursprung des Begriffes Wert zurück, dann bedeutet „valere“ etwas wert zu sein, gesund und stark zu sein. Werte sind demnach bestimmend dafür, was wir als wichtig erachten und was uns den Sinn für unser Leben gibt. Dabei dienen sie nicht nur als Orientierungsgröße, sondern helfen bei Entscheidungen und dem damit verbundenen Verhalten auch als eine Art Leitplanken, um damit auch Korridore oder Grenzen zu beschreiben (Krumm 2016).


Die Bestimmung und Wichtigkeit von Werten für den Menschen werden natürlich auch von dem gesellschaftlichen Umfeld geprägt. Peter Wippermann und Jens Krüger veröffentlichen seit dem Jahr 2009 alle zwei Jahre den sogenannten „deutschen Werte Index“, wobei für die Basis die Erfassung von 15 grundlegenden Werten in der deutschsprachigen Social Media dienen. Der Werte Index steht eigentlich für die Bedeutung und Relevanz bei deutschsprachigen Verbrauchern und soll Unternehmen bei ihren werteorientierten Kommunikationsstrategien helfen, jedoch zeigen diese empirischen Untersuchungen sehr deutlich den Wertewandel in unserer Gesellschaft über die Zeit (Wippermann und Krüger 2020). Sie zeigen zudem auch, dass bestimmte Themen zwischen der Generation Y und den älteren Generationen unterschiedlich diskutiert und bewertet werden.


Der Wertewandel sowie die Veränderung der Bedeutung von definierten Werten über die Zeit in der Gesellschaft, steht unter dem Einfluss der sozio-ökonomischen und politischen Bedingungen des jeweiligen Umfeldes der Menschen. Dies bestimmt natürlich auch die Selektion und die Bedeutung der Werte für das menschliche Individuum. Für die Bestimmung und Anwendung der Werte in der Führung von Menschen ist es deshalb sehr wichtig zu beachten, dass es sich dabei immer nur um eine Momentaufnahme handelt. Die Wertefestlegung kann somit nicht eine einmalige Maßnahme sein, sondern sollte einer regelmäßigen Verifizierung unterliegen.


Das in Abschn. 2 beschriebene Verfahren zur Erkennung und Messung des Organisationsverhaltens, zeigt u. a. die Bedürfnisse der einzelnen Organisationseile und in der Summe, einer Gesamtorganisation auf. Wenn Werte als die Ableitung von Bedürfnissen angesehen werden, so muss als nächster Schritt der Veränderung des Organisationsverhaltens eine Bestimmung der Werte stattfinden. Die Herausforderung ist dabei, aus einer Vielfalt von mehreren hundert Werten allein im deutschsprachigen Raum die für die jeweilige

Organisation relevanten herauszufinden und zu bestimmen (Girbig 2014).


Der Diskurs hin zur Bestimmung eines für alle gültigen Wertesets, ist ein maßgeblicher Schritt in der Veränderung des Organisationsverhaltens. Diese wichtige Auseinandersetzung kann objektiver, zielgerichteter und effektiver ablaufen, wenn auf den Daten des „Erkennen und Messens“, wie in Abschn. 2 beschrieben, aufgebaut werden kann. Für die Diskussion der ermittelten Wertevielfalt ist das Werteviereck von Wieland (2004) nach wie vor eine effektive Methode, um vor der Selektion eines von der Anzahl her limitierten Werte, welche später zur Anwendung kommen sollen, durch die Differenzierung zwischen Leistungs-, Kommunikations-, Kooperations- und moralischen Werten eine Strukturierung vorzunehmen. Es hilft danach auch bei der Festlegung des für die Organisation gültigen Wertesets, sodass eine gewisse Ausbalancierung zwischen der verschiedenen Wertequadranten hergestellt werden kann. Schlussendlich sollte der Diskurs zum Konsens der wichtigsten Werte führen, die als das „Werteset“ einer Organisation angesehen werden sollen. Um die Umsetzung und Anwendung im Rahmen der wertegesteuerten Führung effektiv zu gestalten und damit positiv das Organisationsverhalten verändern zu können, sollte die Anzahl der identifizierten Werte wenn möglich besser übersichtlich gehalten werden, damit eine zielgerichtete Einbindung in der Interaktion zwischen Führungskraft

und Mitarbeiter besser möglich gemacht werden kann.


Der Diskurs zur Bestimmung der Werte sollte die Gesamtheit der Organisation umfassen („Organization Fit“), d. h. über die Diskussion innerhalb einzelner Organisationseinheiten („Team Fit“) mit ihren jeweiligen Führungskräften („Supervisor Fit“) bis hin über die vorhandenen Hierarchiestufen hinaus. Führung und Konfliktlösung, wie in Abschn. 1.3 beschrieben, ist eines der entscheidenden Ziele im Organisationsverhalten, um Veränderungen darin anzustoßen und auch zielgerichtet zu gestalten. Wenn die aus den erkannten und gemessenen Bedürfnissen und anderen Organisationsmerkmalen abgeleiteten Werte die Grundlage der wertegesteuerten Führung sein sollen, ist die intensive Auseinandersetzung damit ein wichtiger Schritt der Veränderung. Die Herausforderung besteht dabei darin, einen Konsens zwischen den Werten des Mitarbeiters, der Führungskraft und des Unternehmens zu finden (Krumm 2016). Wertegesteuerte Führung und die damit verbundene Veränderung des Organisationsverhaltens kann nur funktionieren, wenn ein Konsens darüber weitestgehend erreicht wird. Hierzu erscheint das in Abschn. 2 beschriebene Verfahren als ein idealer, unproblematischer und vor allem anonymer Ansatz der Analyse. Nach der Bestimmung des gemeinsamen Wertesets folgt abschließend die Diskussion um die Inhalte und damit der Definition der Werte. Das damit geschaffene Verständnis über die Bedeutung ist bei der Anwendung in der wertegesteuerten Führung ein essenzieller Baustein.


In der Interaktion mit dem Mitarbeiter wird die Führungskraft daran gemessen werden, ob die gemeinsam definierten Werte in seinem Führungsverhalten erkennbar und nachvollziehbar sein werden. Die Führungskraft sollte aber ihrerseits in der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter, wie zum Beispiel im ständigen Austausch und nicht nur in Halbjahres- oder Jahresendgesprächen, Bezug auf die vereinbarten Werte nehmen. Somit wird auch eine Verbindung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter geschaffen, die auf dem Diskurs

zur Bestimmung des Wertesets aufbaut.


Die Veränderung im Organisationsverhalten kann danach, wie in Abschn. 2 beschrieben, unter anderem an dem Befriedigungsgrad der Bedürfnisse innerhalb der Organisation in regelmäßigen Abständen überprüft werden (durch die entsprechende Implementierung der „Pulsumfragen“ innerhalb der Software) und spiegelt somit den Einfluss der wertegesteuerten Führung in der Veränderung wider.


Die Einbindung von Werten in den Führungsalltag wird sehr oft auch mit dem Begriff des Wertemanagements und damit in der Ableitung des Wertemanagers in Verbindung gebracht. Die Definition der „American Management Association“ beschreibt Management als „Getting things done through other people“ (Holzbauer 2000). Nutzt man jedoch den Begriff der Wertearbeit (Girbig 2014) und damit verbunden, den des „Wertearbeiters“, ergibt sich eine völlig andere Dimension der Betrachtung. Aristoteles belegte Arbeit im Sinne von „Tun, Schaffen, Bewirken“. Im übertragenen Sinne lebt der Wertearbeiter deshalb die Werte nicht nur vor, sondern er schafft durch seine wertegesteuerte Führung innerhalb der Organisation den Raum, dass diese gelebt werden können.


Soll erkanntes und gemessenes Organisationsverhalten durch wertegesteuerte Führung verändert werden, kann dies nur über eine konsequente Wertearbeit erfolgreich sein.



3.2 Das Kompetenz-Motivation und Krise-Druck-Modell spezifisch jede organisatorische Einheit


Im zweiten Schritt der Veränderung, nach der Bestimmung eines gemeinsamen Wertesets, in der wertegesteuerten Führung im Organisationsverhalten geht es erst einmal nicht um die Führungskraft selbst, sondern um die Mitarbeiter.


Hierbei spielen die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter in ihrem spezifischen Wirkungs- und Einflussbereich („Job Fit“), sowie der jeweiligen Führungssituation eine entscheidende Rolle (Krumm 2016). Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist dabei das für jeden Mitarbeiter individuelle Kompetenzprofil, welches in fünf spezifische Kompetenzen untergliedert werden kann (Fleig 2010):

  • Handlungskompetenz

  • Fachkompetenz

  • Methodenkompetenz

  • Sozialkompetenz

  • Selbstkompetenz.

Das Kompetenzprofil ist für die Führungskraft insofern wichtig, da sie damit einschätzen und beurteilen kann, welche individuellen Voraussetzungen der Mitarbeiter hat, um vereinbarte Ziele zu erfüllen und den Anforderungen der seiner Position gerecht zu werden.

Die in Abschn. 2 beschriebene Methode des Erkennens und Messens des Organisationsverhaltens bietet dabei wichtige Erkenntnisse, da schon vor der Besetzung einer Stelle zunächst die Anforderungen an den Stelleninhaber durch eine Analyse definiert und die Passung (Frey und Schmalzried 2013) des jeweiligen Kandidaten dazu überprüft werden kann. Diese Vorgehensweise bietet sogar eine höhere Belastbarkeit der Definition, denn die Anforderungen können auf Basis der Analyse, objektiv nicht nur vom direkten Vorgesetzten, sondern auch von Teammitgliedern, HR-Experten oder weiteren Personen durchgeführt werden. Wird diese Messung bei schon existierenden Organisationseinheiten vorgenommen, kann damit überprüft werden, inwieweit die einzelnen Personen mit ihren individuellen Kompetenzprofilen, oder als Einheit im Team zu den Anforderungen an die Gesamtheit passend sind. In der wertegesteuerten Führung ist das ein wichtiger Indikator, um eine Veränderung zu einem gewünschten Organisationsverhalten gezielt angehen zu können.


Das zweite wichtige Unterscheidungsmerkmal des Mitarbeiters ist seine Motivation, wobei dabei in die extrinsische bzw. intrinsische Motivation unterschieden wird (Frey und Schmalzried 2013). Zur extrinsischen Motivation gehören die monetären Belohnungssysteme, die den Mitarbeiter eher auf der rationalen Ebene ansprechen. Bei der intrinsischen Motivation spielen die im Kapitel besprochenen Werte eine bedeutende Rolle, da sie zur Motivation des Mitarbeiters einen wichtigen Beitrag leisten.


Die in Abb. 5 dargestellten Kompetenz-Motivation Quadranten unterstützen die wertegesteuerte Führungskraft dabei, den Mitarbeiter individuell abzuholen und darauf basierend seine Möglichkeiten der Führung spezifisch einzusetzen. Ein zum Beispiel hoch motivierter und kompetenter Mitarbeiter verlangt eine andere Unterstützung als derjenige, der zwar kompetent ist aber nicht ausreichend motiviert, oder derjenige, der Verbesserungsmöglichkeiten in seinem Kompetenzprofil hat, jedoch sehr motiviert ist. Dabei sollte immer beachtet werden, dass gerade bei der Motivation die Wertearbeit der Führungskraft einen großen Einfluss haben kann.


Die Kompetenz-Motivation Quadranten
Abbildung 5

Zur Einschätzung der jeweilig spezifischen Führungssituation sind die Abb. 6 aufgezeigten Krise-Druck Quadranten ein wichtiges Element für die wertegesteuerte Führung. In einer schwierigen Krisensituation mit dem entsprechenden hohen Druck auf die Organisation muss anders geführt werden, als in Situationen ohne Krisencharakter mit niedrigem Druck. In jedem Fall spielt ein gemeinsames Werteset zwischen Führungskraft und Mitarbeiter eine wichtige Rolle, da hiermit ein gegenseitiges Verständnis in der Interaktion

besser gewährleistet werden kann.


Die Krise-Druck Quadranten
Abbildung 6

Das jeweilige Kompetenzprofil und Motivation des Mitarbeiters sowie die dazugehörige spezifische Situation bestimmen das wertegesteuerte Führungsverhalten und damit folglich das Organisationsverhalten.


Wie die Führungskraft darin agieren kann, wird im nachfolgenden Abschnitt beschrieben.



4 Die Umsetzung eines Führungskonzeptes und mitarbeiter- und situationsspezifische Handlungsempfehlungen basierend auf einer Werteorientierung


Soll im Organisationsverhalten durch Führung und Konfliktlösung eine Veränderung herbeigeführt werden, so muss dies bei der Führungskraft im Aufgabenbestand klar verankert sein und gleichzeitig die Mechanismen einer wertegesteuerten Führung verinnerlicht werden (Banke und Lutz 2018). Auch wenn man die in Abschn. 3 beschriebenen Modelle der Kompetenz-Motivation- und Krise-Druck-Quadranten anzuwenden weiß, kann man festhalten, dass es den „einen richtigen Führungsstil“ nicht gibt (Frey und Schmalzried 2013; Krumm 2016). In der Interaktion zwischen Mitarbeiter und Führungskraft muss nämlich nicht die Unterschiedlichkeit der Führungssituation und des Mitarbeiters beachtet werden, sondern auch die der Führungskraft selbst.


In der Literatur sind zahlreiche Publikationen zu den unterschiedlichsten Führungsstilen zu finden. Erste Untersuchungen zum Führungsverhalten gehen auf Kurt Lewin aus dem Jahre 1939 zurück der drei typische Führungsstile definiert (Bartscher 2018):

  1. Autoritär; der Vorgesetzte entscheidet und kontrolliert. Der Mitarbeiter führt aus.

  2. Demokratisch; der Mitarbeiter wird in Entscheidungsprozesse mit einbezogen und die Fremdkontrolle wird teilweise durch Eigenkontrolle ersetzt.

  3. Laissez-faire; die Entscheidung liegt beim Mitarbeiter oder in Gruppe.

Eine weitaus differenziertere Betrachtung der Anwendung in der Führung von Kontrolle und Einbeziehung des Mitarbeiters wurde Robert Tannenbaum und Warren H. Schmidt im Harvard Business Manager 1958 publiziert, übrigens einer der am meisten wiederaufgelegten Artikel in dieser Fachzeitschrift seit der Erstpublikation, was die Aktualität des Inhaltes nur unterstreicht (Tannenbaum und Schmidt 2019).


Tannenbaum und Schmidt beschreiben darin in einem Modell, inwieweit sich die Einflussnahme eines Vorgesetzten verändert und damit auch sein Führungs- und Kommunikationsverhalten (siehe Abb. 7). Gleichzeitig zeigt es auf, wie sich damit die Freiräume des Mitarbeiters oder der Gruppe verändert und damit verbunden die zugestandene Entscheidungsfreiheit.


Das Kontinuum des Führungsverhaltens (Eigene Darstellung in Anlehnung an Tannenbaum und Schmidt 2019)
Abbildung 7

Für eine wertegesteuerte Führung im Sinne des Organisationsverhaltens und dessen Veränderung sind folgende Voraussetzungen bestimmend:

  1. Ein auf den Bedürfnissen der Gruppe abgeleitetes gemeinsam bestimmtes Werteset

  2. Eine Einordnung der individuellen Kompetenz-Motivation Bestimmung des Mitarbeiters (siehe Abb. 5)

  3. Eine spezifische Einschätzung der jeweiligen Führungssituation (siehe Abb. 6)

Daniel Goleman entwickelte dazu ein Führungsmodell, in dem die jeweilige Führungssituation mit dem jeweils dazu passenden Führungsstil verknüpft werden kann (Goleman et al. 2003). Die dissonanten Führungsstile sind einerseits dazu da, in Krisensituationen bzw. zur Erreichung von ehrgeizigen Zielen den Entscheidungsspielraum des Mitarbeiters einschränken bzw. beim befehlenden Führungsstil nahezu ausschließen (siehe Abb. 8). In der richtigen Führungssituation angewendet, sind sie sehr wirkungsvoll und effektiv und werden vom Mitarbeiter mitgetragen, da sie in schwierigen Situationen Sicherheit geben. Passt die Führungssituation aber nicht mehr zum dissonanten Ansatz, so kann sich dies sehr schnell negativ auf das Klima in der Organisation auswirken. Deshalb ist bei der wertegesteuerten Führung ein kontinuierlicher Abgleich der vorliegenden Situation vorzunehmen.


Dissonante Führungsstile (Eigene Darstellung in Anlehnung an Goleman et al. 2003)
Abbildung 8

Die sogenannten Resonanten Führungsstile gehen automatisch einher mit einem erweiterten Entscheidungsfreiraum für den Mitarbeiter, bis hin zum demokratischen Führungsstil, wo aus der Betrachtung des Führungskontinuums nach Tannenbaum und Schmidt die von der Führungskraft ausgehende Autorität bis auf das Notwendigste reduziert ist (siehe Abb. 9). In der wertegesteuerten Führung ist gerade hierbei das Werteset der jeweiligen Organisation ein wichtiger Faktor, da dieses eine Grundlage für die Interaktion zwischen Führungskraft und Mitarbeiter bietet und auch in der Rückkopplung zu Führungssituationen genutzt werden kann. Das Organisationsverhalten kann durch Führung nur verändert werden, wenn nicht nur positive, sondern auch negative Werteerlebnisse im Diskurs aufgenommen und geklärt werden (Girbig 2014). Empfehlenswert ist auf jeden Fall die Integration des Wertesets in die Zielvereinbarung der Führungskräfte. Damit wird nicht nur die Bedeutung der Werte in der Führung verdeutlicht, sondern es bietet in den Beurteilungsgesprächen die Gelegenheit, positive wie negative Werteerlebnisse zu besprechen.


Resonante Führungsstile (Eigene Darstellung in Anlehnung an Goleman et al. 2003)
Abbildung 9

Die Definition der Werte sowie die Veränderung und Weiterentwicklung des Führungsverhaltens, sind die Module drei und vier eines sich schrittweise aufbauenden Ansatzes eines 6-Stufen Modells (Abb. 10), das als Ansatz gewählt werden kann, um Wertemanagement in einer Organisation konsequent und grundlegend verändern zu können (Banke und Lutz 2018).


6-Stufen Modell zum Wertemanagement
Abbildung 10


5 Fazit


Die Veränderung von Arbeitsweisen auf Basis des gesellschaftlichen Wandels bietet einige Chancen für Arbeitgeber. Werden diese neu entdeckten Kapazitäten auf konstruktive Weise genutzt und gefördert, könnte sich daraus ein neues, stärker wertschöpfendes Arbeitsumfeld entwickeln. Nun sind die Geschäftsführung, die Personal- und Organisationsentwicklung, wie auch die Führungskräfte gefragt, die richtigen Rahmenbedingungen für werteorientierte Arbeit zu gestalten und damit einen Grundstein für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu legen. Sie sollten früh damit beginnen, denn die Menschen werden immer stärker auf die kulturelle Ausrichtung einer Organisation achten und sie als Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen potenziellen Arbeitgeber nutzen. Eine Möglichkeit dies zu bewerkstelligen, ist hier dargestellt. Es geht um die objektive Bewertung des Status auf Basis der Impulse aus der Organisation, also des Organisationsverhaltens und der nachfolgenden Arbeit an wertegesteuerter Führung. Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht das Messen und Erkennen der individuellen Organisationsmerkmale und fördert die Wertschöpfung aus den eigenen Reihen heraus. Folglich wird das Handeln authentisch und nachvollziehbar und sorgt für eine bessere Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitenden.


Die Organisation erhält einen Bezugsrahmen, der das Zusammenspiel von Werten, Gewinn, Wertschöpfung, Produktivität und den menschlichen Ressourcen verdeutlicht.


Dr. Hans-Jürgen Lutz ist in der Leitung des Institutes für Wirtschaftsethik,

Wertemanagement und Compliance (IWWC) an der

Knowledge Foundation@Reutlingen University. Nach dem Abschluss

eines naturwissenschaftlichen Studiums und anschließender

Promotion begann er 1987 seine berufliche Laufbahn in der Industrie.

Unter anderem war er als CEO und Managing Director in Italien

auch für das gesamte Geschäft in Südeuropa eines Unternehmensbereiches

zuständig. Insbesondere dieser Abschnitt seiner beruflichen

Laufbahn haben sein Verständnis von wertegesteuertem Management

sehr stark geprägt. Dabei nahm das Thema Führung für

ihn immer eine zentrale Rolle ein. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit

ist er seit dem Jahr 2003 als Lehrbeauftragter und Dozent an

namhaften Institutionen wie das ESB Reutlingen oder der Hochschule

St. Gallen tätig. Seit den Jahr 2014 ist er in der Leitung des

Institutes für Wirtschaftsethik, Wertemanagement und Compliance

(IWWC), wobei er den Schwerpunkt Wertemanagement vertritt.

Seine langjährige Erfahrung in der Industrie hilft ihm dabei, wissenschaftliche

Grundlagen mit praktischem Hintergrund zu verbinden.


Bild von Dr. Hans-Jürgen Lutz
Dr. Hans-Jürgen Lutz

Dr. Hans-Jürgen Lutz ist in der Leitung des Institutes für Wirtschaftsethik, Wertemanagement und Compliance (IWWC) an der Knowledge Foundation@Reutlingen University. Nach dem Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums und anschließender Promotion begann er 1987 seine berufliche Laufbahn in der Industrie. Unter anderem war er als CEO und Managing Director in Italien auch für das gesamte Geschäft in Südeuropa eines Unternehmensbereiches zuständig. Insbesondere dieser Abschnitt seiner beruflichen Laufbahn haben sein Verständnis von wertegesteuertem Management sehr stark geprägt. Dabei nahm das Thema Führung für ihn immer eine zentrale Rolle ein. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit ist er seit dem Jahr 2003 als Lehrbeauftragter und Dozent an namhaften Institutionen wie das ESB Reutlingen oder der Hochschule St. Gallen tätig. Seit den Jahr 2014 ist er in der Leitung des Institutes für Wirtschaftsethik, Wertemanagement und Compliance (IWWC), wobei er den Schwerpunkt Wertemanagement vertritt. Seine langjährige Erfahrung in der Industrie hilft ihm dabei, wissenschaftliche Grundlagen mit praktischem Hintergrund zu verbinden.


Bild von Dr. Daniel Nummer
Dr. Daniel Nummer

Dr. rer. nat. Daniel Nummer beschäftigt sich seit über 13 Jahren mit den Themen Organisationsverhalten und Steuerung in Konzernstrukturen. Er ist Gründer und Geschäftsführer der PREDICTA|ME GmbH und war davor über 12 Jahre in international übergreifenden Verantwortlichkeiten für börsendotierte Unternehmen in den Bereichen Diagnostik- und Pharma-Industrie tätig. Seine wissenschaftlich-analytische Laufbahn startete er am Deutschen Krebsforschungszentrum, DKFZ, Heidelberg im Bereich der Tumorimmunologie.

Schwerpunkte seiner heutigen Arbeit sind die Analyse der Verbindung von Mensch, Aufgabe und Umfeld in sich wandelnden Organisationsstrukturen, insbesondere das Entwickeln von ganzheitlichen People Analytics und Beratungsstrukturen für die Geschäftsführung in Unternehmen zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der unternehmerischen Wertschöpfung.


 

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