Bislang war das Homeoffice in Deutschland nur in wenigen Branchen eine verbreitete, fest etablierte Arbeitsform. Neben den technischen Voraussetzungen, die den Mitarbeitenden zur Verfügung stehen mussten, war doch häufig das fehlende Vertrauen in das Arbeitsverhalten und die -moral der Mitarbeitenden ein vorherrschender Grund, warum eine Präsenz der Mitarbeitenden im Unternehmen verlangt wurde. Ebenfalls das fehlende soziale Miteinander war ein oft angebrachtes Argument, mit dem sich Unternehmen gegen eine Arbeit im Homeoffice ausgesprochen haben.
Mit Beginn der Corona-Pandemie jedoch arbeitet nun ein Großteil der Berufstätigen entsprechend ihrer Möglichkeiten so viel wie möglich zu Hause – und das branchenübergreifend. Die Pandemie erforderte von den Unternehmen ein schnelles, adaptives Umdenken und Umstrukturieren der eingefahrenen Strukturen. Innerhalb kürzester Zeit wurden neue Arbeitsmodelle und -strukturen geschaffen, was für viele zunächst eine Herausforderung darstellte.
Dieser rasante Umbruch in der Arbeitsorganisation verlangte von allen Beteiligten ein schnelles, zukunftsorientiertes Handeln neben ihren originären Tätigkeiten. Fragen wie „Ist die vertraute Face-to-Face-Kommunikation durch Videokonferenzen und verstärkte E-Kommunikation ersetzbar und genauso effizient?“, „Wie sollen Mitarbeitende angeleitet werden, die sich physisch nicht im Unternehmen befinden?“, „Wie viel zusätzliches Vertrauen in die Mitarbeitenden muss aufgebracht werden, da die Kontrollmöglichkeiten eingeschränkt sind?“ oder „Wie gut lässt sich die Zusammenarbeit in Teams organisieren?“ mussten neben den technischen Herausforderungen geklärt werden.
Die Veränderung als Chance sehen
Trotz vieler Schwierigkeiten und Hürden die genommen werden mussten, bieten diese Veränderungen die Möglichkeit einer neuen und längst fälligen Kultur der Arbeitsflexibilität. Während die Digitalisierung in Deutschland bisher sehr zögerlich voranschritt, scheint die Corona-Pandemie nun als Katalysator zu fungieren, die neben vielen anderen Themen das Homeoffice als eine verbreitete Arbeitsform zur Anwendung brachte.
Im Ergebnis sind viele positive Auswirkungen zu spüren. Beispielsweise ist die Zufriedenheit der Mitarbeitenden durch eine größere Flexibilität bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit deutlich gestiegen. Durch eine individuelle Gestaltung des Tagesrhythmus´ lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren und die Gesundheit fördern. Wegezeiten werden zu Freizeit. Unternehmen können somit von einer höheren Leistungsbereitschaft und Produktivität der Mitarbeitenden profitieren. Dennoch sollten Unternehmen das ganzheitlich Bild Ihrer Organisation nicht aus den Augen verlieren, denn die neue Arbeitskultur zieht auch neue Fragestellungen mit sich, die letztlich einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Organisationsverhalten der Mitarbeitenden haben kann.
Schaut man sich die einzelnen Dimensionen von Organisationsverhalten genauer an, formulieren sich Fragen, die nicht außer Acht gelassen werden sollten:
JOB FIT: Wie passen die Fähigkeiten zu den teils neuen Anforderungen an die Position? An welchem Punkt wird aus der Zufriedenheit möglicherweise eine gefühlte soziale Isolation?
TEAM FIT: Wie gestaltet sich im Homeoffice die Interaktion der Teammitglieder?
SUPERVISOR FIT: Wie kann eine Führungskraft die Individualität seiner/ihrer Mitarbeitenden im Blick behalten und die Bedürfnisse der Mitarbeiter wahrnehmen?
ORGANIZATION FIT: Welchen Einfluss hat die fehlende Präsenz der Mitarbeitenden auf die (nicht mehr) gelebte Kultur der Organisation?
Letztlich birgt jedes Risiko Chancen, die Unternehmen nicht verstreichen lassen sollten, aber gleichzeitig bergen Chancen auch Risiken – für Mitarbeitende, Führungskräfte und Organisation. Nur wer seine gesamte Organisation und das organisationale Verhalten kontinuierlich im Blick behält, kann auf Barrieren und Störfaktoren schnell und effektiv reagieren und so in einer neuen Kultur der Arbeitsflexibilität ankommen.
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