Neue Spielregeln im Markt erfordern neue Strategien in Unternehmen
Teil 1 - Dr. Daniel Nummer | CEO PREDICTA|ME GmbH
Das deutsche Innovationssystem hat sich bisher stetig und strukturbewahrend gewandelt, das Auftreten der COVID-19- Pandemie führte hingegen zu abrupten Veränderungen im Arbeitsmarkt. Unternehmen, besonders im Mittelstand, waren und sind weiterhin gezwungen, ad hoc neue Prozesse und Lösungen zu entwickeln und bislang Etabliertes kurzfristig zu transformieren. Gleichzeitig beklagen viele Unternehmen, dass sie kaum noch neue Mitarbeiter:innen finden und/oder ihr Personal aufgrund von fehlender Begeisterung und Identifikation mit dem Unternehmen verlieren.
Zukunftsfähige Unternehmens- und Führungskultur
Welche immens wichtige Bedeutung die Unternehmens- und Führungskultur für die Zukunftsfähigkeit hat, zeigen dramatische Beispiele aus der Industrie. Derzeit gibt es dort zahlreiche Standorte, an denen komplette Produktionsketten eingestellt werden müssen. Nicht, weil es an Aufträgen mangelt, sondern: weil es an passenden Mitarbeitern fehlt!
Um als mittelständisches Unternehmen erfolgreich in die Zukunft gehen zu können, bedarf es u. a. der Beantwortung zentraler Fragen:
Durch welche Entscheidungen schaffen wir es, Verantwortung intern zu verteilen?
Welche Rolle spielen die Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter in Arbeitsprozessen?
Was müssen wir konkret tun, um die Führungskräfte zu stärken, damit diese wiederum professionell mit Konflikten umgehen können und Mitarbeiter:innen stärken, fordern und fördern können?
Was bedeutet es für uns, wenn die Atmosphäre schlecht ist? Was passiert, wenn wir Hand in Hand arbeiten würden?
Inwieweit ergeben sich Krisen, weil wir generell das „Hamsterrad“ zu schnell drehen und wir uns zu wenig Zeit für „Sprachhygiene“ nehmen, um besser zu kommunizieren?
Beziehungsmanagement ist der Schlüssel, um das Engagement und die Motivation Ihrer Mitarbeiter:innen aufrechtzuerhalten. Führungskräfte und Teams, die zusammenarbeiten, können hervorragende Mitarbeiterbeziehungen aufbauen, die den Erfolg fördern.
„Organisationsverhalten“ und wie es dem Mittelstand nutzt
Organisationsverhalten ist die Anwendung von Wissen darüber, wie Einzelpersonen und Gruppen in einer Organisation handeln und reagieren, um die höchste Qualität von Leistungen zu erreichen und zu nutzen. Es basiert auf einem Prozess, den Organisationen anwenden, um gesunde Beziehungen aufzubauen. Die Methoden bauen auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen auf, das wertgeschätzte Menschen, denen echtes Interesse entgegengebracht wird, erfolgreicher im Arbeitsalltag sind. Je besser Mitarbeiter zur Aufgabe und zum Umfeld passen, desto eher können sie ihre Stärken und Begeisterung, ihre Ideen und Perspektiven einbringen. Sie sind dadurch leistungsfähiger und zeigen mehr Verantwortungsbereitschaft. Führungskräfte werden mit Teammitgliedern besser verbunden, Schmerzpunkte innerhalb der Organisation werden identifiziert und Probleme schneller gelöst. Teams und Führungskräfte lernen jeden Tag eine Nuance dazu. Diese Best Practices können dann u. a. zur Konfliktlösung und Mitarbeiterbindung angewendet werden und schaffen eine sichere und interaktive Arbeitsplatzkultur, in der die Potenziale optimal genutzt werden können.
Essenziell: Organisationsverhalten und sein Management
Menschen können im Allgemeinen ohne eine positive Beziehung nicht gut zusammenarbeiten – auch Mitarbeiter:innen nicht. Beziehungsmanagement am Arbeitsplatz hilft beim Aufbau effektiver Teams, in denen sich die Mitarbeiter:innen gegenseitig respektieren, für neue Ideen offen und zugänglich sind sowie nahtlos als Team zusammenarbeiten. Alle Mitarbeiter:innen und das Unternehmen wollen auf keinen Fall, dass ihre besten Talente durch kalte Mitarbeiterbeziehungen abgeschreckt werden. Echtes Interesse innerhalb des Teams wird mit maximaler Arbeitsmoral und maximalem Engagement belohnt und führt zu einer verbesserten Mitarbeiterbindung.
Wenn Mitarbeiter:innen gut zusammenarbeiten, haben sie die Motivation, als Einheit erfolgreich zu sein – und diese Einheit baut noch stärkere Beziehungen auf, da sich jeder Mitarbeiter für den anderen einsetzt. Gemeinschaftsbildung ist der Kern eines erfolgreichen Organisationsverhaltens. Bei der Unternehmenskultur geht es weniger um Vergünstigungen und Vorteile als vielmehr um die Art und Weise, wie Menschen in der Organisation interagieren. Die Förderung eines respektvollen und unter- stützenden Umfelds bringt engagiertere Mitarbeiter:innen hervor, die an die Vision des Unternehmens glauben – Mitarbeiter:innen, die ihrem Unternehmen treu bleiben und motiviert sind, ihr Bestes für ihr Unternehmen zu geben.
Das neue „GPS für Unternehmen“
Es gibt keinen Zauberspruch, aber einen erfolgreichen Weg, um Mitarbeiterbeziehungen und -verhalten förderlich zu gestalten: vorleben, was die Philosophie des Unternehmens predigt. Das Dilemma: Der Arbeitstag ist operativ überfüllt, zu viele Themen gleichzeitig, an menschlichem Austausch, an sinnhafter Kommunikation mangelt es häufig. Es wird schnell hoch-emotional untereinander. Die Zielsetzung verschwimmt zusehends. In solchen Phasen kann ein „GPS für Unternehmen“ allen helfen. Es findet den aktuellen Entwicklungsstandort, gibt Routenvorschläge und navigiert jede:n im Unter- nehmen sicher zur nächsten „Autobahn“, um das Ziel sicher und schneller zu erreichen.
Die „Navigation“ erfolgt unter Berücksichtigung der aktuellen „Verkehrssituation“, also der Betrachtung, wo sich gerade Staus im Unternehmen bilden und welche alternativen Routen möglich sind, um Zeit zu sparen. Gleichzeitig bietet es individuelle Lösungen an, die zukünftige Staubildung vermeiden werden. Auf das Unternehmen bezogen, hilft ein solches Vorgehen in unterschiedlichen Bereichen, wie folgende Beispiele zeigen.
Beginnen Sie mit dem Recruiting
Wer heute noch Mitarbeiter gewinnen möchte, sollte sich nicht allein auf Online-Stellenanzeigen fokussieren. Der dort dargestellte „Einheitsbrei“ sorgt keinesfalls dafür, dass sich gute Kandidaten angesprochen fühlen und schreckt die Besten eher ab. Das neue GPS-System zeigt Wege auf, die schneller zu passenden Kandidat:innen führt. Dazu werden die fachlichen Ansprüche in typische und gern gesehene Verhaltensweisen übersetzt. Durch diese Übersetzung lösen sich Unternehmen zunehmend von den „starren“ und stark einschränkenden „Stellenprofilen“. Der Lebenslauf steht nicht im Vordergrund, sondern vielmehr die angeborenen und erworbenen Fähigkeiten der Kandidaten. Spricht man diese aktiv im Alltag an, z. B. in der Freizeit, verschmelzen individueller Alltag und berufliche Interessen, der Austausch wird authentisch und unkompliziert. Die Kandidaten spüren in einem solchen Prozess, dass es nicht nur um Zeugnisse und Lebensläufe geht, sondern um sie selbst, um ihre Persönlichkeit. Das schafft Vertrauen und mehr Interesse am Unternehmen und steigert den Erfolg bei der Suche von Mitarbeitern.
Onboarding – aber richtig
Gibt es einen besseren Weg, um eine gute Arbeitsbeziehung in Gang zu bringen, als Mitarbeiter:innen beim Onboarding zu vernetzen? Menschliche Interaktionen sind exponentiell effektiver, um sich an ein neues Unternehmen zu gewöhnen, als Schulungsvideos und veraltete Seminare. Neue Mitarbeiter:innen sollten ihren Kollegen:innen frühzeitig in einem informellen Rahmen vorgestellt werden, um positive Beziehungen aufbauen zu können. Ein dem neuen Mitarbeiter zugewiesener Mentor hilft, das Unternehmen und die neuen Kollegen kennenzulernen. Das GPS erinnert in solchen Fällen an die nötigen Schritte.
Kultur des Respekts – unterstützendes Umfeld
Die Mitarbeiter:innen sollen sich sicher und wohl fühlen. Der Aufbau von Richtlinien, die sich auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter konzentrieren, hilft, eine unterstützende und einladende Kultur zu schaffen. Richtlinien zur Konfliktlösung ermöglichen der Führung reaktionsfähig und gerüstet zu sein, um gegebenenfalls sofort Maßnahmen zu ergreifen. Das gilt ebenso für das Management und Vorgesetzte: Das GPS bildet dabei ein Leitplankensystem, das Mikromanagement, unrealistische Erwartungen und hitzige Gemüter von Vorgesetzten oder Mitarbeiter:innen verhindert oder Sie schlicht an beste Verhaltensweisen erinnert. Als Führungskraft ist Respekt unerlässlich. Mitarbeiter auf Augenhöhe zu behandeln und herzlich willkommen zu heißen, gibt im Unternehmen den Ton an. Danke sagen und starke Beziehungen sowie Teamarbeit zu belohnen gehört zur Leitung zukunftsfähiger Unternehmen. Die Anerkennung und Wertschätzung von Leistungen fördert eine Kultur des Respekts und der Verbundenheit, die wir uns alle am Arbeitsplatz wünschen.
Optimierte Kommunikation
Schlechte Kommunikation ist eines der größten Hindernisse für den Aufbau starker Beziehungen am Arbeitsplatz. Kommunikationsabbrüche können dazu führen, dass sich Teamkollegen:innen in einem Durcheinander von Missverständnissen und schlechten Einstellungen getrennt fühlen. In der Folge leiden Teamarbeit und Produktivität.
Mittels des GPS kann die Art und Weise festgelegt werden, wie das Team kommunizieren sollte. Ziele werden klar skizziert, die Teamrollen bestätigt und die übergreifende Zusammenarbeit gefördert, um die Aufgaben optimal zu erledigen. Die Mitarbeiter:innen werden mit Leichtigkeit interagieren und starke Beziehungen aufbauen.
Investition: berufliche Entwicklung
Investiert das Unternehmen in seine Mitarbeiter:innen, erhält er seinen Einsatz durch optimierte Arbeitskraft und -erfolg zurück. Des Weiteren brauchen Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, durch den Austausch von Fähigkeiten und teamübergreifende Zusammenarbeit zu lernen. In jedem Team finden Sie unterschiedliche Persönlichkeiten und Kompetenzen sowie Bedürfnisse. Das GPS erkennt diese anonym und schlägt Seminare und unternehmens- weite Lernmöglichkeiten als weitere effektive Möglichkeit vor. Damit wird eine positive Interaktion gefördert. Das Erlernen neuer Fähigkeiten und Denkprozesse hilft Teammitgliedern, Seite an Seite zu wachsen.
Organisationsverhalten: jeden Tag zukunftsfähiger werden
Die internen Ansprechpartner für Personal sollten sich nicht auf Urlaubsmanagement und Gehaltsabrechnung beschränken. Respektvolle Mitarbeiterbeziehungen und das unternehmensweite Engagement, Spaß bei der Arbeit zu haben, sind weit unterschätze Teile des Aufbaus einer starken Unternehmenskultur, die nachhaltige Erfolge bewirkt. Da neben der operativen Belastung viel zu wenig Zeit für Beziehungsmanagement bleibt, ist Unterstützung von außerhalb die sinnvolle Lösung. Denn die Komplexität der Herausforderungen steigt zusehends, wobei die Grundlage für deren erfolgreiche Bewältigung ein effektiver und förderlicher Austausch unter Menschen ist und bleibt.
Das Wissen über Beziehungsmanagement sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Organisationsverhalten ist das neue GPS und hilft:
Mitarbeiter:innen und Talente für das Unternehmen zu gewinnen,
Verantwortung in die richtigen Hände zu legen, flexibler zu agieren und Zeit zu sparen,
Führungskräfte und Mitarbeiter:innen gezielt zu befähigen,
die Atmosphäre kontinuierlich zu verbessern, Konflikte zu lösen.
Mit professioneller Navigation findet jedes Unter- nehmen schneller und sicherer zum Erfolg. Das Wissen über Organisationsverhalten ist das passende GPS, denn: Die Qualität unserer Beziehungen bestimmt die Qualität unseres Lebens.
Auf der Suche nach dem/der „Richtigen“
Die Auswahlsituation wird zur Entwicklungsfragestellung
Teil 2 - Sina Stübig
Vermutlich haben die meisten von uns sich schon ein- oder zweimal die Frage gestellt, ob sie sich mit dem oder der „Richtigen“ treffen. In Zeiten von Tinder und Co. ist das Wischen nach links und das Augenwischen in Bezug auf Aussehen, Eigenschaften und beruflichen Erfolg leichter geworden. Einfach jeder Typ präsentiert sich als großartig! Trotzdem wischen wir schnell zum nächsten Profil. Woran liegt das? Wir haben die Hoffnung, dass vielleicht noch ein besseres Angebot auf uns wartet. Wenn wir uns dann für ein Profil entschieden haben und es zu einer ersten Verabredung kommt, sind wir im besten Fall anfangs hellauf begeistert. Wir fokussieren uns auf ein positives Merkmal und schauen dann nicht mehr kritisch hin.
Wir betrachten die andere Person durch die rosarote Brille. Das führt über kurz oder lang zu Überraschungen oder Enttäuschungen. In der Psychologie nennen wir das „Halo-Effekt“. Wir werden von einer Eigenschaft des anderen geblendet, weil diese alles andere überstrahlt.
Tatsächlich wichtige Merkmale
Im beruflichen Kontext sollten sich Unternehmen bei der Bewerberauswahl die Frage stellen, welche Merkmale eines Kandidaten tatsächlich wichtig sind. Häufig ist es so, dass die Anforderungen an den Bewerber im Vorfeld vage bleiben. Zudem trauen sich Interviewer:innen im Rahmen von Einstellungsgesprächen oft nicht, intensiv nachzubohren, aus Sorge, das Gegenüber durch Nachfragen zu vergraulen. Gerade das intensive Nachfragen, kritische Hinschauen und aufmerksame Zuhören sind aber elementare Bausteine im Rahmen der Suche nach dem oder der „Richtigen“. Es sind Zeichen von Interesse und Wertschätzung.
Darüber hinaus unterstreicht es, wie wichtig es ist, dass sowohl der Kandidat genau weiß, worauf er sich einlässt, als auch, dass sich das Unternehmen über die Stärken und Entwicklungsfelder des Kandidaten vor dem Hintergrund der definierten Anforderungen klar wird. Das heißt, dass gerade nicht durch die rosarote Brille geschaut wird. Mit ernsthaftem Interesse muss den Fragen nachgegangen werden, an welchen Stellen Unternehmen und Kandidat zueinanderpassen, wo sie sich ergänzen, wo es zu Spannungen kommen wird und bei welchen Themen der Kandidat Unterstützung in seiner Entwicklung braucht.
„Geeignete“ Kandidaten
Den „Perfect Match“ gibt es dabei nicht, auch wenn wir alle gerne danach suchen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist die Bereitschaft des Unternehmens, in die Entwicklung des Kandidaten zu investieren, von besonderer Bedeutung. Die klassische Auswahlsituation wird immer häufiger zu einer Entwicklungsfragestellung. Es ist wichtig, genau zu verstehen, was der Kandidat braucht, um in der Zielposition erfolgreich zu sein. In der Eignungsdiagnostik schaut man, wie der Name sagt, nach
„geeigneten“ Kandidaten, nicht nach „richtigen“. Passt der Kandidat zu der einen Position nicht, kann er für eine andere trotzdem sehr gut geeignet sein. Es gilt die Faustformel: Wenn ein Kandidat über die vordefinierte „Messlatte“ springt, dann sollte er eingestellt werden. Das Warten auf einen Kandidaten, der vielleicht noch höher springt, führt in der Regel dazu, dass letztlich gar kein Kandidat eingestellt wird.
Der Rat dazu an unsere Kunden lautet: Anforderungen sehr bewusst vorab definieren und sicher- stellen, dass nur Kandidaten eingestellt werden, die diese erfüllen. Im Vorfeld sollte niemand schöngeredet werden, egal wie sehr der Schuh drückt, die Stelle schnell zu besetzen. Ist der passende Kandidat dann an Bord, darf man die rosarote
Brille gerne wieder aufsetzen. Beruflich und privat. Vermutlich haben die meisten von uns sich schon ein- oder zweimal die Frage gestellt, ob sie sich mit dem oder der „Richtigen“ treffen. In Zeiten von Tinder und Co. ist das Wischen nach links und das Augenwischen in Bezug auf Aussehen, Eigenschaften und beruflichen Erfolg leichter geworden. Einfach jeder Typ präsentiert sich als großartig! Trotzdem wischen wir schnell zum nächsten Profil. Woran liegt das? Wir haben die Hoffnung, dass vielleicht noch ein besseres Angebot auf uns wartet. Wenn wir uns dann für ein Profil entschieden haben und es zu einer ersten Verabredung kommt, sind wir im besten Fall anfangs hellauf begeistert. Wir fokussieren uns auf ein positives Merkmal und schauen dann nicht mehr kritisch hin.
Wir betrachten die andere Person durch die rosarote Brille. Das führt über kurz oder lang zu Überraschungen oder Enttäuschungen. In der Psychologie nennen wir das „Halo-Effekt“. Wir werden von einer Eigenschaft des anderen geblendet, weil diese alles andere überstrahlt.
Tatsächlich wichtige Merkmale
Im beruflichen Kontext sollten sich Unternehmen bei der Bewerberauswahl die Frage stellen, welche Merkmale eines Kandidaten tatsächlich wichtig sind. Häufig ist es so, dass die Anforderungen an den Bewerber im Vorfeld vage bleiben. Zudem trauen sich Interviewer:innen im Rahmen von Einstellungsgesprächen oft nicht, intensiv nachzubohren, aus Sorge, das Gegenüber durch Nachfragen zu vergraulen. Gerade das intensive Nachfragen, kritische Hinschauen und aufmerksame Zuhören sind aber elementare Bausteine im Rahmen der Suche nach dem oder der „Richtigen“. Es sind Zeichen von Interesse und Wertschätzung.
Darüber hinaus unterstreicht es, wie wichtig es ist, dass sowohl der Kandidat genau weiß, worauf er sich einlässt, als auch, dass sich das Unternehmen über die Stärken und Entwicklungsfelder des Kandidaten vor dem Hintergrund der definierten Anforderungen klar wird. Das heißt, dass gerade nicht durch die rosarote Brille geschaut wird. Mit ernsthaftem Interesse muss den Fragen nachgegangen werden, an welchen Stellen Unternehmen und Kandidat zueinanderpassen, wo sie sich ergän- zen, wo es zu Spannungen kommen wird und bei welchen Themen der Kandidat Unterstützung in seiner Entwicklung braucht.
„Geeignete“ Kandidaten
Den „Perfect Match“ gibt es dabei nicht, auch wenn wir alle gerne danach suchen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist die Bereitschaft des Unternehmens, in die Entwicklung des Kandidaten zu investieren, von besonderer Bedeutung. Die klassische Auswahlsituation wird immer häufiger zu einer Entwicklungsfragestellung. Es ist wichtig, genau zu verstehen, was der Kandidat braucht, um in der Zielposition erfolgreich zu sein. In der Eignungsdiagnostik schaut man, wie der Name sagt, nach
„geeigneten“ Kandidaten, nicht nach „richtigen“. Passt der Kandidat zu der einen Position nicht, kann er für eine andere trotzdem sehr gut geeignet sein. Es gilt die Faustformel: Wenn ein Kandidat über die vordefinierte „Messlatte“ springt, dann sollte er eingestellt werden. Das Warten auf einen Kandidaten, der vielleicht noch höher springt, führt in der Regel dazu, dass letztlich gar kein Kandidat eingestellt wird.
Der Rat dazu an unsere Kunden lautet: Anforderungen sehr bewusst vorab definieren und sicher- stellen, dass nur Kandidaten eingestellt werden, die diese erfüllen. Im Vorfeld sollte niemand schöngeredet werden, egal wie sehr der Schuh drückt, die Stelle schnell zu besetzen. Ist der passende Kandidat dann an Bord, darf man die rosarote
Brille gerne wieder aufsetzen. Beruflich und privat.
Ganzheitliche Organisationsentwicklung
für zufriedene Mitarbeitende und erfolgreiche Unternehmen
Teil 3 - Marie Luise Sorger
Organisationen stehen heutzutage vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Hart umkämpfte Arbeitsmärkte erschweren die Suche und Bindung von geeignetem Personal, steigende Energie- und Produktionskosten erhöhen die finanzielle Anspannung im laufenden Geschäft und das Managen von Veränderungen wird eher zur Regel als zur Ausnahme. Statt nur auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren, gilt es heutzutage mehr denn je, aktiv die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. In der Steuerung und Entwicklung von Unternehmen in diesem dynamischen Umfeld ist es daher von entscheidender Bedeutung, die Anpassungsfähigkeit einer Organisation kontinuierlich zu verbessern.
Strategie, Struktur und Kultur
Die Arbeit an stützenden Organisationsstrukturen als auch an ermöglichenden (Führungs-)Kulturen darf daher bei der strategischen Entwicklung von Unternehmen nicht unterschätzt werden. Es gilt, eine gute Passung zwischen Strategie, Struktur und Kultur herzustellen, um gewünschte Veränderungen zu ermöglichen und im Sinne einer ganzheitlichen Organisationsentwicklung nachhaltig zu verankern. Hierbei ist es elementar wichtig, den „Faktor Mensch“ in den Fokus zu rücken und das im Unternehmen vorhandene Organisationsverhalten zu berücksichtigen. Bei der Betrachtung des Organisationsverhaltens geht es im Kern darum herauszufinden, wie sich Einzelpersonen und Gruppen in einer Organisation aufgrund ihres individuellen Wahrnehmens, Denkens und Fühlens verhalten und wie Menschen in Organisationen von dort vorhandenen Aktivitäten, Prozessen und Strukturen in ihrem Verhalten beeinflusst werden. Dies ist von hoher Relevanz, denn letztendlich spielt das konkrete Verhalten der Mitarbeitenden und Führungskräfte im Organisationskontext die entscheidende Rolle, wie produktiv, effektiv und flexibel Unternehmen auf Veränderungen reagieren können, wie Krisen gemeistert werden und wie effizient und reibungsfrei Abläufe im Regelgeschäft erfolgen.
Emotionale Verbundenheit
Möchte man Unternehmen ganzheitlich entwickeln, so geht es im Kern darum, Strategien, Organisationsstrukturen und das Miteinander so zu gestalten, dass es den Mitarbeitenden und Führungskräften leicht gemacht wird, sich bestmöglich im Sinne der organisationalen Aufgaben und Ziele einzubringen. Um dies zu erreichen, spielt der Faktor der „Passung“ eine entscheidende Rolle. Menschen, deren individuelle Neigungen, Stärken, Werte und Fähigkeiten zu den Anforderungen der Tätigkeit sowie dem Arbeits- und Organisationsumfeld passen, zeichnen sich in der Regel durch eine höhere Zufriedenheit im Job aus. Die persönliche Zufriedenheit hat wiederum positive Effekte für das Unternehmen. Wenn Mitarbeitende sich ihrem Arbeitgeber emotional verbunden fühlen, sich mit ihren Aufgaben, ihrer Abteilung und ihrem Unternehmen identifizieren, dann haben sie auch ein persönliches Interesse daran, dass es dem Unternehmen gut geht – die unternehmerischen Interessen werden so zu ihren eigenen.
In einem Artikel des Handelsblatts mit der Headline „Von wegen Sozial-Klimbim“ zitiert Olaf Storbeck bereits in 2007 Alex Edmans, Professor für Finanzen an der London Business School und gegenwärtig Professor für Betriebswirtschaft an der Mercers' School Memorial am Gresham College. Aus einer umfangreichen Studie zog Edmans das Fazit, dass die Zufriedenheit der Mitarbeitenden positiv mit der Performance des Unternehmens verknüpft ist. Die optimale Passung zwischen einer Person und ihrer Arbeitsumgebung (Person-Environment Fit) ist hierbei ein entscheidender Schlüsselfaktor für zufriedene Mitarbeitende und dadurch auch für erfolgreiche Unternehmen.* Im Rahmen der ganzheitlichen Organisationsentwicklung ist es daher ratsam, systematisch daran zu arbeiten, den Grad der Passung zwischen Personen und ihrer Arbeitsumgebung in vier relevanten Dimensionen zu erhöhen (s. Tabelle).
Hierfür ist es zunächst nötig, durch Analysen den aktuellen Ausprägungsgrad der erlebten Passung in den vier relevanten Dimensionen zu bestimmen. Aus den Analyseergebnissen lässt sich anschließend ableiten, welche zentralen Stellhebel zur Steigerung des Grads der Passung im individuellen Organisationskontext zielführend erscheinen. Während es in dem einen Unternehmen zum Beispiel stärker um die zielgerichtete Besetzung von Positionen gehen kann (Person-Job Fit), steht ein anderes Unternehmen möglicherweise vor der Herausforderung, das Zusammenwirken und die optimale Besetzung von Arbeitsteams voranzubringen (Person-Group Fit), die Führungskräfte weiterzuentwickeln (Person-Supervisor Fit) oder übergreifende Strategie- oder Kulturarbeit (Person-Organization Fit) zu fokussieren.
Gewinn für Unternehmen und Mitarbeitende
Ein ganzheitlicher Blick auf alle vier Dimensionen der Passung ermöglicht es, Zusammenhänge zu erkennen, Prioritäten zu setzen, passgenaue und sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln und gezielt dort Aktivitäten anzustoßen, wo der größte Handlungsbedarf besteht. Hierdurch können Strategien, Organisationsstrukturen und das Miteinander Schritt für Schritt so weiterentwickelt werden, dass Mitarbeitende und Führungskräfte sich mit hoher persönlicher Zufriedenheit optimal im Sinne der unternehmerischen Aufgaben und Ziele einbringen können. Ein Gewinn für Unternehmen und die dort beschäftigten Menschen.
Comments